Verausgaben

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Mit dem Band „Überfluss und Überschreitung“ ist die '''2. Perspektive''' angesprochen, in die ein Nachdenken über „Verausgaben“ und seinen Gewinn für transdisziplinäres Arbeiten weist: Sie ist auf die Analyse aktueller Arbeitsformen gerichtet. Damit ist Arbeit unter dem Ein/Druck der Ausweitung und Aufwertung wissensbasierter Arbeitsformen gemeint, unter dem Ein/Druck der De-Regulierung wohlfahrtsstaatlicher Sicherungssysteme. Das Selbst manifestiert sich in diesem Zusammenhang als Ausdruck und Ressource multipler Technologien der Selbstauswertung und Selbstverwertung. Hier ist die Figur des unternehmerischen Selbst relevant, wie sie Ulrich Bröckling auf den Punkt gebracht (2007): Diese Figur basiert auf Selbsttechnologien, die mit einer Vorstellungen von Autonomie, Eigenverantwortung und Wahlfreiheit verbunden sind: „Jeder einzelne soll sich als eine Art Unternehmen begreifen und entsprechend führen.“ (Bröckling 2007, 43)
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Mit dem Band „Überfluss und Überschreitung“ ist die '''2. Perspektive''' angesprochen, in die ein Nachdenken über „Verausgaben“ und seinen Gewinn für transdisziplinäres Arbeiten weist: Sie ist auf die Analyse aktueller Arbeitsformen gerichtet. Damit ist Arbeit unter dem ''Ein/Druck'' der Ausweitung und Aufwertung wissensbasierter Arbeitsformen gemeint, unter dem ''Ein/Druck'' der De-Regulierung wohlfahrtsstaatlicher Sicherungssysteme. Das Selbst manifestiert sich in diesem Zusammenhang als Ausdruck und Ressource multipler Technologien der Selbstauswertung und Selbstverwertung. Hier ist die Figur des unternehmerischen Selbst relevant, wie sie Ulrich Bröckling auf den Punkt gebracht (2007): Diese Figur basiert auf Selbsttechnologien, die mit einer Vorstellungen von Autonomie, Eigenverantwortung und Wahlfreiheit verbunden sind: „Jeder einzelne soll sich als eine Art Unternehmen begreifen und entsprechend führen.“ (Bröckling 2007: 43)
 
Der adäquate Arbeitsmodus, in dem diese Anforderungen „eingespeichert“ sind und in dem sie sich umsetzten lassen, ist die Projektarbeit. Projektarbeit beruht in ihrem Ideal auf der Implementierung und Ausschöpfung informeller Arbeitsbeziehungen, auf individueller Mobilität und Flexibilität in sozialen Beziehungen wie im Zugriff auf Wissensbestände.  
 
Der adäquate Arbeitsmodus, in dem diese Anforderungen „eingespeichert“ sind und in dem sie sich umsetzten lassen, ist die Projektarbeit. Projektarbeit beruht in ihrem Ideal auf der Implementierung und Ausschöpfung informeller Arbeitsbeziehungen, auf individueller Mobilität und Flexibilität in sozialen Beziehungen wie im Zugriff auf Wissensbestände.  
 
„Im Vordergrund steht [...] der Aspekt einer zeitlich befristeten, von einem Individuum oder einer überschaubaren Gruppe selbstverantwortlich zu bewältigenden Aufgabe. Projekte verlangen und gewähren ein großes Maß an Autonomie, sie stehen quer zu institutionellen Hierarchien und zeichnen sich aus durch hohe Kommunikationsdichte sowie ganzheitliche, den Einklang von Arbeit und Leben, von wirtschaftlichem Erfolg und persönlicher Entwicklung verheißende Rollenangebote.“ (Bröckling 2007: 257)
 
„Im Vordergrund steht [...] der Aspekt einer zeitlich befristeten, von einem Individuum oder einer überschaubaren Gruppe selbstverantwortlich zu bewältigenden Aufgabe. Projekte verlangen und gewähren ein großes Maß an Autonomie, sie stehen quer zu institutionellen Hierarchien und zeichnen sich aus durch hohe Kommunikationsdichte sowie ganzheitliche, den Einklang von Arbeit und Leben, von wirtschaftlichem Erfolg und persönlicher Entwicklung verheißende Rollenangebote.“ (Bröckling 2007: 257)
 
Projektarbeit geht mit dem „Einklang von Arbeit und Leben“ (Bröckling 2007: 257) einher, indem sie professionelle und private Beziehungsnetzwerke miteinander verknüpft (vgl. u.a. Wittel 2001) und Arbeitsprojekte zu Lebensprojekten macht.
 
Projektarbeit geht mit dem „Einklang von Arbeit und Leben“ (Bröckling 2007: 257) einher, indem sie professionelle und private Beziehungsnetzwerke miteinander verknüpft (vgl. u.a. Wittel 2001) und Arbeitsprojekte zu Lebensprojekten macht.
Diese vielfachen Kompetenzen, mehrdeutigen Beziehungen und das „ganze Selbst“ umfassenden Anforderungen halten die sogenannten „soft skills“, die im Zusammenhang der Projektarbeit eine Aufwertung erfahren: in der Logik sozialer Kompetenz ermöglichen sie das schöpferische Verwerten von Emotionen, die Analyse von Niederlagen, das Moderieren von Konflikten (vgl. Bröckling 2007, 267f.).  
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Diese vielfachen Kompetenzen, mehrdeutigen Beziehungen und das „ganze Selbst“ umfassenden Anforderungen halten die sogenannten „soft skills“, die im Zusammenhang der Projektarbeit eine Aufwertung erfahren: in der Logik sozialer Kompetenz ermöglichen sie das schöpferische Verwerten von Emotionen, die Analyse von Niederlagen, das Moderieren von Konflikten (vgl. Bröckling 2007: 267f.).  
  
 
Vor diesem Hintergrund kann das „Sich-selbst-verausgaben“ als ein Zustand im Kreislauf zwischen Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung gedeutet werden.  
 
Vor diesem Hintergrund kann das „Sich-selbst-verausgaben“ als ein Zustand im Kreislauf zwischen Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung gedeutet werden.  
  
Von der empirischen Forschung aus gesehen, wirkt das in den Gouvernementalitätsstudien festgestellte gesellschaftliche Modell ganz unterschiedlich in Lebenswelten hinein. So ist es z.B. unterschiedlich hinsichtlich genderspezifischer Abarbeitungen (vgl. Angela McRobbie 2003). In der Europäischen Ethnologie haben sich in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Forschungsarbeiten diesen neuen Arbeitswelten und -wirklichkeiten gewidmet. Und auch in Hinblick auf Ethnographie als Wissenspraxis ist das unternehmerische Selbst von Bedeutung: das ethnographische Selbst hat mit dem unternehmerischen Selbst sehr viel gemein und zwar nicht erst seit der post-fordistischen Aufwertung und Ausweitung wissensbasierter Arbeit, sondern schon im Paradigma der Feldforschung bei Malinowski in den 10er bzw. 20er Jahren des 20. Jhdts. (vgl. Färber 2009a).  
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Von der empirischen Forschung aus gesehen, wirkt das in den Gouvernementalitätsstudien festgestellte gesellschaftliche Modell ganz unterschiedlich in Lebenswelten hinein. So ist es z.B. unterschiedlich hinsichtlich genderspezifischer Abarbeitungen (vgl. Angela McRobbie 2003). In der Europäischen Ethnologie haben sich in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Forschungsarbeiten diesen neuen Arbeitswelten und -wirklichkeiten gewidmet. Und auch in Hinblick auf Ethnographie als Wissenspraxis ist das unternehmerische Selbst von Bedeutung: das ethnographische Selbst hat mit dem unternehmerischen Selbst sehr viel gemein und zwar nicht erst seit der post-fordistischen Aufwertung und Ausweitung wissensbasierter Arbeit, sondern schon im Paradigma der Feldforschung bei Malinowski in den 10er bzw. 20er Jahren des 20. Jhdts. (vgl. Färber 2009a).
  
 
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Version vom 24. Oktober 2012, 16:21 Uhr

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