Anerkennen
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Das Recht, Rechte zu haben, hat Hannah Arendt als grundlegende Bedingung menschlichen Lebens gefordert; wie man etwa Menschenrechte einfordert, wenn man nicht juristisch anerkannt ist, hat Christoph Menke mit "alegal, illegal, translegal" beschrieben. Das notwendig Grenzüberschreitende und Illegale dieses Aktes schafft Realitäten: "Wer ein Recht fordert, hat damit immer schon, vorweg, sein Recht zu fordern gefordert". (Menke 2012: 328) "Weil ein politisches Subjekt zu sein aber (unter anderem) eben darin besteht, ein Recht zu fordern, macht sich der menschenrechtlich Fordernde selbst zu dem, was er fordert." (Menke 2012: 362) Der gordische Knoten der Vor- und Nachgängigkeit wird durch einen Akt, eine Setzung zerschlagen. Was Arendt den "Erscheinungsraum" genannt hat, den öffentlichen Raum, der erst im Akt des öffentlichen Auftretens hergestellt wird. Wenn das Erscheinen für andere wahrnehmbar, anerkennbar wird, entsteht dieser Raum; hier verbindet sich Performativität mit gemeinsamer Praxis auf der unmöglichen aber immer herstellbaren Basis und mit dem Produkt der Anerkennung. (Menke 2012: 328) <ref>"Die Demonstranten müssen in gewisser Hinsicht so tun, als ob bereits der Raum existiere, in dem ihr Sprechen und Handeln zählt, sie müssen so tun, als ob sie zumindest so weit an der Macht des Miteinanders partizipierten, dass ihr Sprechen und Handeln als intelligibel und allgemein nachvollziehbar, kurz: als öffentlich relevantes Sprechen und Handeln wahrgenommen wird. Nun wäre das demonstrierende Handeln und Sprechen als Vollzug im Modus des 'Als ob' aber zugleich auch irreführend beschrieben, wenn man es auf diesen Aspekt reduzierte und womöglich noch mit einer irgendwie unwirklichen Angelegenheit verwechselte. Denn der Vorgriff auf einen bereits veränderten Erscheinungsraum, den die Demonstration vornimmt, geschieht dadurch, dass hier Akteure auf eine immer auch sehr materiale, körperliche Weise insistieren, die nicht zuletzt aufgrund ihrer spezfischen Körperlichkeit aus der Sphäre der Öffentlichkeit herausgehalten werden sollen." (Rebentisch 2012: 369f.)</ref> | Das Recht, Rechte zu haben, hat Hannah Arendt als grundlegende Bedingung menschlichen Lebens gefordert; wie man etwa Menschenrechte einfordert, wenn man nicht juristisch anerkannt ist, hat Christoph Menke mit "alegal, illegal, translegal" beschrieben. Das notwendig Grenzüberschreitende und Illegale dieses Aktes schafft Realitäten: "Wer ein Recht fordert, hat damit immer schon, vorweg, sein Recht zu fordern gefordert". (Menke 2012: 328) "Weil ein politisches Subjekt zu sein aber (unter anderem) eben darin besteht, ein Recht zu fordern, macht sich der menschenrechtlich Fordernde selbst zu dem, was er fordert." (Menke 2012: 362) Der gordische Knoten der Vor- und Nachgängigkeit wird durch einen Akt, eine Setzung zerschlagen. Was Arendt den "Erscheinungsraum" genannt hat, den öffentlichen Raum, der erst im Akt des öffentlichen Auftretens hergestellt wird. Wenn das Erscheinen für andere wahrnehmbar, anerkennbar wird, entsteht dieser Raum; hier verbindet sich Performativität mit gemeinsamer Praxis auf der unmöglichen aber immer herstellbaren Basis und mit dem Produkt der Anerkennung. (Menke 2012: 328) <ref>"Die Demonstranten müssen in gewisser Hinsicht so tun, als ob bereits der Raum existiere, in dem ihr Sprechen und Handeln zählt, sie müssen so tun, als ob sie zumindest so weit an der Macht des Miteinanders partizipierten, dass ihr Sprechen und Handeln als intelligibel und allgemein nachvollziehbar, kurz: als öffentlich relevantes Sprechen und Handeln wahrgenommen wird. Nun wäre das demonstrierende Handeln und Sprechen als Vollzug im Modus des 'Als ob' aber zugleich auch irreführend beschrieben, wenn man es auf diesen Aspekt reduzierte und womöglich noch mit einer irgendwie unwirklichen Angelegenheit verwechselte. Denn der Vorgriff auf einen bereits veränderten Erscheinungsraum, den die Demonstration vornimmt, geschieht dadurch, dass hier Akteure auf eine immer auch sehr materiale, körperliche Weise insistieren, die nicht zuletzt aufgrund ihrer spezfischen Körperlichkeit aus der Sphäre der Öffentlichkeit herausgehalten werden sollen." (Rebentisch 2012: 369f.)</ref> | ||
Der Wechsel zwischen Als Ob und Materialität: das ist die Aufgabe der Anerkennung. | Der Wechsel zwischen Als Ob und Materialität: das ist die Aufgabe der Anerkennung. | ||
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+ | ==Bibliographie== | ||
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+ | *Althusser, Louis (1977): Ideologie und ideologische Staatsapparate. In: Ders., Ideologie und Ideologische Staatsapparate, Aufsätze zur marxistischen Theorie, Hamburg, Berlin, S. 108-153. | ||
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+ | *Bedorf ,Thomas (2003): Dimensionen des Dritten. Sozialphilosophische Modelle zwischen Ethischem und Politischem, München. | ||
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+ | *Bedorf , Thomas (2010): Verkennende Anerkennung. Über Identität und Politik, Berlin. | ||
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+ | *Bedorf, Thomas (2011): Andere. Eine Einführung in die Sozialphilosophie, Bielefeld. | ||
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+ | *Bedorf, Thomas, Cremonini, Andreas (Hg.) (2005): Verfehlte Begegnung. Levinas und Sartre als philosophische Zeitgenossen, München. | ||
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+ | *Butler, Judith (2007): Kritik der ethischen Gewalt, Adorno-Vorlesungen 2002 (Institut für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main - zuvor gehalten als Spinoza-Vorlesungen der Universität Amsterdam 2002), Frankfurt/M. | ||
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+ | *Butler, Judith (2005): Gefährdetes Leben. In: Dies., Gefährdetes Leben. Politische Essays, Frankfurt/M. | ||
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+ | *Butler, Judith (2009):Krieg und Affekt, Berlin, Zürich. | ||
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+ | *Butler, Judith (2010): Raster des Krieges. Warum wir nicht jedes Leid beklagen, Frankfurt/M. | ||
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+ | *Dungs, Susanne (2006): Anerkennen des Anderen im Zeitalter der Mediatisierung. Sozialphilosophische und sozialarbeitswissenschaftliche Studien im Ausgang von Hegel, Lévinas, Butler, Zizek, Hamburg. | ||
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+ | *Eiermann, André (2009): Postspektakuläres Theater. Die Alterität der Aufführung und die Entgrenzung der Künste, Bielefeld. | ||
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+ | *Eßlinger, Eva et al. (Hg.) (2010): Die Figur des Dritten. Ein kulturwissenschaftliches Paradigma, Berlin. | ||
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+ | *Gürtler, Sabine (2001): Elementare Ethik. Alterität, Generativität und Geschlechterverhältnis bei Emmanuel Lévinas, München. | ||
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+ | *Levinas, Emmanuel (1992): Jenseits des Seins oder anders als Sein geschieht, Freiburg, München. | ||
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+ | *Menke, Christoph (2012): Die Tat der Menschenrechte: alegal, illegal, translegal. In: Frankfurter Kunstverein, Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen" der Goethe-Universität Frankfurt (Hg.): Demonstrationen. Vom Werden normativer Ordnungen (Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Frankfurter Kunstverein, 20.1.-25.3.2012), Nürnberg. | ||
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+ | *Pécheux, Michel (1997): The Mechanism of Ideological (Mis)recognition. In: Zizek, Slavoj (Hg.): Mapping Ideology. London, New York, S. 141-151. | ||
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+ | *Rebentisch, Juliane (2012): Erscheinen. Bruchstücke einer politischen Phänomenologie. In: Frankfurter Kunstverein, Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen" der Goethe-Universität Frankfurt (Hg.): Demonstrationen. Vom Werden normativer Ordnungen (Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Frankfurter Kunstverein, 20.1.-25.3.2012), Nürnberg. | ||
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+ | *Ricoeur, Paul (2006). Wege der Anerkennung. Erkennen, Wiedererkennen, Anerkanntsein, Frankfurt/M. | ||
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+ | *Schaffer, Johanna (2008): Ambivalenzen der Sichtbarkeit. Über die visuellen Strukturen der Anerkennung, Bielefeld. | ||
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+ | *Sonderegger, Ruth (2012): Drei Formen der Demonstration. Überlegungen mit Jacques Rancière. In: Frankfurter Kunstverein, Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen" der Goethe-Universität Frankfurt (Hg.): Demonstrationen. Vom Werden normativer Ordnungen (Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Frankfurter Kunstverein, 20.1.-25.3.2012), Nürnberg. | ||
==Anmerkungen== | ==Anmerkungen== | ||
<references/> | <references/> |