Bewegen

Wechseln zu: Navigation, Suche
Zeile 4: Zeile 4:
 
== '''''Ping Pong''''' ==
 
== '''''Ping Pong''''' ==
  
Leere Bühne, von bühnen-links tritt auf: ein weißer Tischtennis-Ball, der mit mittlerer Geschwindigkeit über die Bühne rollt. Einige Sekunden später wiederholt sich der Vorgang, doch kommt der Ball dieses Mal von bühnen-rechts, rollt in langsamem Tempo aus und bleibt bühnenmittig stehen. In schneller Folge rasen nun einzelne Bälle von bühnen-rechts nach bühnen-links. Einige Bälle haben eine größere Distanz zum ruhenden Tischtennisball, andere wiederum rollen dicht vor und hinter ihm vorbei. Schließlich trifft ein Ball den ruhenden Ball, versetzt ihn mit dem Aufprall wieder in Bewegung und lenkt ihn diagonal nach bühnen-links-hinten ab, wo er wieder zum Stillstand kommt. Die ist der Beginn der Choreographie ''Ping Pong'' (2009) von Begüm Erciyas, einer Versuchsanordnung, die die physischen Bewegungseigenschaften und das kinetische und dynamische Bewegungsverhalten von Tischtennisbällen untersucht. Die Tischtennisbälle benötigen einen Auslöser, der sie in Bewegung setzt. In Ping Pong übernehmen dies die beiden Tänzer sowie die seitlich, für das Publikum nicht sichtbar aufgestellten Ventilatoren, die die Bälle mit dem von ihnen durch Strom erzeugten Wind immer wieder von der Bühne treiben. Für bewegen als Tätigkeitsbezeichnung bedeutet dies: Einen Gegenstand/Körper bzw. sich selbst zu bewegen also eine Ortsveränderung zu bewirken, verlangt immer den Einsatz von Energie. Bewegt sich ein Körper durch den Raum, kann es zu Begegnungen mit anderen – statischen oder sich in Bewegung befindenden – Körpern kommen. Das Aufeinandertreffen in einer Kollision (hier der Tischtennisbälle) überträgt Energie und bremst Körper aus, verändert ihre Position bzw. Richtung und Dynamik und kann auch zur Verformung des Materials führen. Bewegen besitzt ein andere Körper affizierendes Potential, das in der Lage ist, auch unfreiwillige (Re-)Aktionen hervorzurufen und Körper aus der Ruhe – physikalisch eine Bewegung mit der Geschwindigkeit Null – zu bringen. Bewegen beinhaltet damit Unkontrollierbarkeit bzw. Risiko und damit einen möglichen Kontrollverlust. Gleichzeitig bewirkt es als motorischer bzw. physikalischer Vorgang eine Positionsveränderung in Raum und Zeit. Damit verbunden ist die Veränderung des Blickwinkels als ein durch die veränderte Position im Raum bedingter Perspektivwechsel. ''Ping Pong'' verdeutlicht, wie bewegen als szenische und künstlerische Forschungsmethode nicht nur die Materialeigenschaften und das Bewegungsverhalten eines Körpers (hier der Tischtennisbälle) untersucht und daraus eine Choreographie entwickelt. Die Choreographie selbst macht Energieeinsatz und -übertragung, Perspektiv- und Positionswechsel und damit Veränderung als grundlegende Aspekte von bewegen sichtbar: ''Bewegung ist, wie Aristoteles sie in der Metaphysik bestimmt, Veränderung: ‚Veränderung aus etwas in etwas anderes’'' (Wortelkamp 2010: 271).
+
Leere Bühne, von bühnen-links tritt auf: ein weißer Tischtennis-Ball, der mit mittlerer Geschwindigkeit über die Bühne rollt. Einige Sekunden später wiederholt sich der Vorgang, doch kommt der Ball dieses Mal von bühnen-rechts, rollt in langsamem Tempo aus und bleibt bühnenmittig stehen. In schneller Folge rasen nun einzelne Bälle von bühnen-rechts nach bühnen-links. Einige Bälle haben eine größere Distanz zum ruhenden Tischtennisball, andere wiederum rollen dicht vor und hinter ihm vorbei. Schließlich trifft ein Ball den ruhenden Ball, versetzt ihn mit dem Aufprall wieder in Bewegung und lenkt ihn diagonal nach bühnen-links-hinten ab, wo er wieder zum Stillstand kommt. Die ist der Beginn der Choreographie ''Ping Pong'' (2009) von Begüm Erciyas, einer Versuchsanordnung, die die physischen Bewegungseigenschaften und das kinetische und dynamische Bewegungsverhalten von Tischtennisbällen untersucht. Die Tischtennisbälle benötigen einen Auslöser, der sie in Bewegung setzt. In Ping Pong übernehmen dies die beiden Tänzer sowie die seitlich, für das Publikum nicht sichtbar aufgestellten Ventilatoren, die die Bälle mit dem von ihnen durch Strom erzeugten Wind immer wieder von der Bühne treiben. Für bewegen als Tätigkeitsbezeichnung bedeutet dies: Einen Gegenstand/Körper bzw. sich selbst zu bewegen also eine Ortsveränderung zu bewirken, verlangt immer den Einsatz von Energie. Bewegt sich ein Körper durch den Raum, kann es zu Begegnungen mit anderen – statischen oder sich in Bewegung befindenden – Körpern kommen. Das Aufeinandertreffen in einer Kollision (hier der Tischtennisbälle) überträgt Energie und bremst Körper aus, verändert ihre Position bzw. Richtung und Dynamik und kann auch zur Verformung des Materials führen. Bewegen besitzt ein andere Körper affizierendes Potential, das in der Lage ist, auch unfreiwillige (Re-)Aktionen hervorzurufen und Körper aus der Ruhe – physikalisch eine Bewegung mit der Geschwindigkeit Null – zu bringen. Bewegen beinhaltet damit Unkontrollierbarkeit bzw. Risiko und damit einen möglichen Kontrollverlust. Gleichzeitig bewirkt es als motorischer bzw. physikalischer Vorgang eine Positionsveränderung in Raum und Zeit. Damit verbunden ist die Veränderung des Blickwinkels als ein durch die veränderte Position im Raum bedingter Perspektivwechsel. ''Ping Pong'' verdeutlicht, wie bewegen als szenische und künstlerische Forschungsmethode nicht nur die Materialeigenschaften und das Bewegungsverhalten eines Körpers (hier der Tischtennisbälle) untersucht und daraus eine Choreographie entwickelt. Die Choreographie selbst macht Energieeinsatz und -übertragung, Perspektiv- und Positionswechsel und damit Veränderung als grundlegende Aspekte von bewegen sichtbar: "Bewegung ist, wie Aristoteles sie in der Metaphysik bestimmt, Veränderung: ‚Veränderung aus etwas in etwas anderes'" (Wortelkamp 2010: 271).
  
  

Version vom 17. April 2014, 13:43 Uhr

Meine Werkzeuge
Namensräume
Varianten
Aktionen
Navigation
Inhalt
Werkzeuge