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| + | Jacques Rancière beschreibt in ''Zehn Thesen zur Politik'' (Diaphanes 2008) Teilhabe als paradoxen Handlungstyp, denn der Bürger/die Bürgerin hat gleichzeitig Anteil am Herrschen und am Beherrscht-werden. Teilhabe wird also erlitten. Rancière leitet Teilhabe von dem griechischen Wort μέθεξις (''methexis''; teilhaben, mit-haben) her. |
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− | Jacques Rancière beschreibt in ''Zehn Thesen zur Politik'' (Diaphanes 2008) Teilhabe als paradoxen Handlungstyp, denn der Bürger hat gleichzeitig Anteil am Herrschen und am Beherrscht-werden. Politik setzt für Rancière dort an, wo diejenigen, die nicht an der Verteilung von Macht und Gütern Teil haben, einen Anteil einfordern. Politik ist daher eine paradoxe Handlung, die eine Unterbrechung dieser Verteilungslogik voraussetzt. Politik hat keinen eigenen Ort und keine natürliche Subjekte. Sie ist nicht Ausführen von Macht, sondern von Beziehungen -> Anteil der Anteilslosen. (Bezug zu Laclau, Marchart, Mouffe, S. 35): es geht nicht nur um die Austragung der öffentliche Meinung, sondern um die Momente, in denen das aufklingt, was keine Stimme hat. Geht hinaus über eine Konfrontation von Meinungen, umfasst diese aber natürlich auch.
| + | Politik setzt für Rancière dort an, wo diejenigen, die nicht an der Verteilung von Macht und Gütern Teil haben, einen Anteil einfordern. Politik setzt also die Unterbrechung der bestehenden Verteilungslogik voraus. Politik hat keinen eigenen Ort und keine natürliche Subjekte. Sie ist nicht Ausführen von Macht, sondern von Beziehungen; es geht nicht nur um die Austragung der öffentlichen Meinung, sondern um die Momente, in denen das aufklingt, was keine Stimme hat. Es gibt keine Politik ohne eine Demokratie; Demokratie ist eben jene Unterbrechung, in der ein Subjekt in die Politik eingreift. demos, das Volk, ist der, der spricht, obwohl er nicht zu sprechen hat; der Teil, der bei der Zählung des Volkes nicht gezählt wird. Der Teil der Anteillosen ist eine unbekannte Größe, nicht zählbar, wird aber in der Demokratie mitgerechnet; daher ist die Demokratie ebenso wie Teilhabe paradox. |
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− | Demokratie: Es gibt keine Politik ohne eine Demokratie; Demokratie ist jene Unterbrechung, in der ein Subjekt in die Politik eingreift. demos, das Volk, ist der, der spricht, obwohl er nicht zu sprechen hat; der Teil, der bei der Zählung des Volkes nicht gezählt wird. Der Teil der Anteillosen ist eine unbekannte Größe, nicht zählbar, wird aber in der Demokratie mitgerechnet; daher ist die Demokratie ebenso wie Teilhabe paradox.
| + | Die Polizei ist die Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung, sie verbirgt den unzählbaren Teil der Anteillosen, indem sie die Aufteilung des Sinnlichen verteidigt, verwaltet oder erhält. |
| + | Kunst ist politisch, wenn sie die Aufteilung des Sinnlichen, die Verteilung des Sicht- und Hörbaren im sozialen Raum verändert. Ästhetik wird zum Zugang, zum Schlüssel zur Politik: so lassen sich Konflikte beschreiben, sichtbar machen, erkennen. Die Wahrnehmung der Kunst ist selbst in ein Regime der Sichtbarkeit eingebunden. Diese Vorbedingungen, die Denkbares und Wahrnehmbares vom ungedacht und ungesehen Bleibenden unterscheiden, können mit Kunst bewusst wahrnehmbar oder erkennbar gemacht werden. Kunst kann andere Subjekte teilhaben lassen, wenn nicht vorab das Entscheidende bereits festgelegt ist: wer zur Aussage berechtigt ist. |
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− | Das supplementäre Subjekt: Das Volk ist mehr als die Summe der zählbaren Teile/Subjekte. Das supplementäre Subjekt ist das Ungezählte.
| + | Sind unter diesen Voraussetzungen also bekannte Partizipationsversuche falsche Formate, da sie üblicherweise bereits zu Beginn festlegen, wer woran teilhaben soll oder darf? |
− | | + | Das Teil im Teilhaben, das man hat, bezieht sich nicht auf ein bekanntes Ganzes. Es gilt, immer einen Anteil hinzuzuzählen, es muss immer ausgehandelt werden, welchen Teil man hat im Teilhaben. Der Teil darf nicht von vornhinein festgelegt werden. Politisches Teilhaben im Sinne Rancières bedeutet nicht, Jemanden einem ihm zugestanden Teil zuzuwenden, sondern auszuhandeln – das muss bei der Organisation auch berücksichtigt werden. Die Teilhabe bezieht sich also nicht auf ein definierbares Ganze, sondern im Ganzen ist immer ein Anteil unzählbar, unsichtbar. Das gilt auch für Verweigerung in Partizipationsprozessen. |
− | Diskutiert wurde, wer die supplementären Subjekte eigentlich sind – stellt man sich z. B. Sans-Papiers vor, Leute, die kein Aufenthalts- oder Wahlrecht in Deutschland haben? Oder allgemeiner Menschen, die nicht als eine spezifische Gruppe vertreten werden, die durch die standardisierten Repräsentationen fallen? Oder Menschen, die aufgrund ihrer sozialen und kulturellen Situation nicht sichtbar werden und nicht das Wort oder die Macht ergreifen? Es scheint weniger um Subjekte zu gehen, als um strukturelle Begebenheiten.
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− | Polizei: Die Polizei ist die Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung, sie verbirgt den unzählbaren Teil der Anteillosen, indem sie die Aufteilung des Sinnlichen verteidigt/
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− | verwaltet/erhält.
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− | Aufteilung des Sinnlichen: Kunst ist politisch, wenn sie die Aufteilung des Sinnlichen, die Verteilung des Sicht- und Hörbaren im sozialen Raum verändert. Ästhetik wird zum Zugang/Schlüssel zur Politik: so lassen sich Konflikte beschreiben, sichtbar machen, erkennen. Die Wahrnehmung der Kunst ist selbst in ein Regime der Sichtbarkeit eingebunden. Diese Vorbedingungen, die Denkbares und Wahrnehmbares vom ungedacht und ungesehen Bleibenden unterscheiden, können mit Kunst bewusst wahrnehmbar oder erkennbar gemacht werden. Kunst kann andere Subjekte teilhaben lassen, wenn nicht vorab das Entscheidende bereits festgelegt ist: wer zur Aussage berechtigt ist.
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− | Fragen an den Text:
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− | – Wo ist der Bezug zum Gesetz? Ist der bewusst ausgeklammert? Gesetzgebung wäre nur politisch, wenn sie versucht, die Verteilung zu verschieben. Die Veränderbarkeit ist ein wichtiger Punkt.
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− | – Wie kommen die Anteilslosen an ihren Anteil? Sie müssen selber sprechen, aber zuerst werden sie "von Odysseus mit dem Zepter geschlagen" (S. 21), sie müssen erweckt werden -- ausgezeichnet. Hier sind wir nicht einig – müssen sie initiiert werden, initiieren sie sich selbst? Wie sieht es aus mit Modellen der Fürsprache?
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− | – Es scheint keine Abstufungen zu geben: was ist mit Leuten, die irgendwo schon Anteil haben, aber eine andere Aufteilung aushandeln können? (Bsp. gewerkschaftliche Arbeit)
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− | – Und was ist nach dem Sprechen, nachdem man sichtbar wurde und einen Anteil gefordert hat? Man muss ja evt. etwas auch noch weiter einfordern, auch wenn man schon mal in Erscheinung getreten ist, dass geschieht u.U. auch in Etappen.
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− | -> Wichtig ist der Prozess: das ständiges Ringen um etwas, was nicht gesehen wird // Das heißt, so vermuten wir, nicht, dass man nicht in die Partei treten soll, sondern nur, dass man sich bewusst macht, dass es immer welche gibt, die keinen Anteil haben...
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− | Demokratie ist nie da, um sie muss immer gekämpft werden.
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− | – Losverfahren als demokratisches Verfahren (während die Wahl ein aristokratisches Prinzip ist). Bsp. Billstedt/Dorothea: es gab den Wunsch nach einem Losverfahren, aber die Repräsentant_innen hatten Sorge, dann nicht mehr vorzukommen, daher wurde es nicht umgesetzt. Bsp. Redner_innenliste bei der Platzbesetzung/Margarita: ergab eine ganz andere Dramaturgie der Rednerabfolge, die ganz unvorhersehbare Kombinationen/Abfolgen hervorbrachte.
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− | methexis (teilhaben, mit-haben)
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− | – Rancière nennt Teilhaben immer in Zusammenhang mit Erleiden (Herrschen und Beherrscht-werden). (Bezug zur letzten Sitzung des Graduiertenkollegs, Fach).
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− | – Sind also bekannte Partizipationsversuche falsche Formate? Falsche Zugänge? (Bsp. Klinkenputzer von Recht auf Stadt, die Menschen einladen, teilzunehmen, sich um sie bemühen und dann doch wieder ohne die Anteilslosen sitzen...)? Oder geht es doch eher um die Frage nach dem politischen System, wie wir Demokratie konzipieren?
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− | Das Teil im Teilhaben, das man hat, bezieht sich nicht auf ein bekanntes Ganzes. Es gilt, immer einen Anteil hinzuzuzählen, es muss immer ausgehandelt werden, welchen Teil man hat im Teilhaben. Der Teil darf nicht von vornhinein festgelegt werden. Politisches Teilhaben ist nicht, den einem zugestanden Teil anzunehmen, sondern auszuhandeln – das muss bei der Organisation auch berücksichtigt werden. Nicht festlegen, an welchem Anteil Jemand teilhaben kann und wer teilhaben darf. Die Teilhabe bezieht sich also nicht auf ein definierbares Ganze, sondern im Ganzen ist immer ein Anteil unzählbar, unsichtbar. Das gilt auch für Verweigerung in Partizipationsprozessen. | + | |