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| == Vorarbeit/Fragestellungen == | | == Vorarbeit/Fragestellungen == |
| + | In der neueren Methodendiskussion der Sozial- und Kulturwissenschaften findet sich eine Engführung von Versammlung und Forschung, und zwar in Bruno Latours entsprechend betiteltem Buch Reassembling the Social. An Introduction to Actor-Network-Theory. In dem im folgenden zitierten Abschnitt geht es Latour um die Frage, was eine sozialwissenschaftliche Untersuchung leisten soll: |
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− | *Versammeln als transdisziplinäre Praxis (Dokumentation der Diskussion im Kolloquium)
| + | (...) through the report concluding the enquiry the number of actors might be increased; the range of agencies making the actors act might be expanded; the number of objects active in stabilizing groups and agencies might be multiplied; and the controversies about matters of concern might be mapped. (...) a good account will perform the social in the precise sense that some of the participants in the action – through the controversial agency of the author – will be assembled in such a way that they can be collected together. (Herv. B. Latour) (Latour 2005, 138) |
− | Dieser Artikel versucht, die Diskussion des Kolloquiums vom 22. Januar 2013 zum Thema "Versammeln" zu dokumentieren. Diese Diskussion hat die folgenden Themenkomplexe und Fragen aufgeworfen, welche u.a. im Rahmen des WiKis weiter bearbeitet werden können und sollen.
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− | *Versammeln als Voraussetzung
| + | Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung ist diesem Verständnis zufolge nicht in erster Linie darauf angelegt, auf einer gänzlich vom Gegenstand der Untersuchung unterschiedenen Ebene Erkenntnisse zu produzieren und festzuhalten. Es geht vielmehr darum, im Untersuchungsfeld, dem Sozialen selbst, mittels der Untersuchung zu wirken. Wer ein Actor-Network beschreibt, wird tendziell zu einem Teil des beschriebenen Netzwerks. Das kann das Netzwerk verändern, kann die Zahl der Akteure im Netzwerk erhöhen und neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Latour schreibt, der Report, oder auch Account, performe das Soziale, indem er die an der Aktion Beteiligten so versammelt, das sie gesammelt werden können. Um dies zu verstehen, gilt es den spezifischen Handlungsbegriff Latours mitzudenken, demzufolge nicht Menschen handeln, sondern Netzwerke oder Ensembles, in denen Menschen und Nicht-Menschen, also Maschinen, Dinge, Materialien, andere Lebewesen, miteinander in Verbindung stehen. Erst die Verbindung zwischen beiden Arten von Akteuren macht Handlung möglich. Und was für das Handeln im allgemeinen gilt, gilt auch für das Wissen: Nicht Menschen wissen, sondern Netzwerke von Menschen und Dingen, Medien, Institutionen, Materialien, Werkzeugen. Reassembling meint vor diesem Hintergrund auch, im Unterschied zur traditionellen Auszeichnung des Menschen als eigentlich handelndes und wissendes Subjekt, die Mitwirkung der Dinge in Erinnerung zu rufen und zu würdigen. Reassembling kann dies insofern genannt werden, als die Beschreibung eines Actor-Networks das Netzwerk als Versammlung zur Erscheinung bringt. Der gute Account ordnet das Netzwerk als Versammlung an und performt damit das Soziale, insofern das Netzwerk als Versammlung seine Mitglieder zählen, sich von sich selbst Rechenschaft ablegen und weitere Handlungen abstimmen kann. Oder im Hinblick auf das Wissen als Handeln, das Forschen, formuliert: Es ist das Netzwerk, das weiß, doch es ist das Netzwerk als Versammlung, das weiß, dass es weiß, und das vielleicht auch weiß, was es nicht weiß, aber herausfinden könnte. |
− | Das Versammeln von Menschen und/oder Gegenständen kann eine Voraussetzung für Forschung sein, wenn Wissen und Positionierungen zu diesem Wissen versammelt und ausgetauscht werden sollen. In der Arbeit mit Alltagsexpert_innen steht oft der Umgang mit verkörpertem Wissen im Vordergrund, weshalb die leibliche Präsenz in der Versammlung einen wichtigen Aspekt darstellt.
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− | *Versammeln als Verfahren
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− | Folgende Thesen und Fragen wurden zum Versammeln als Verfahren diskutiert:
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− | *Welchen Mehrwert hat die Versammlung vieler Personen z.B. im Vergleich zu einzelnen, aufeinanderfolgenden Treffen von Einzelnen?
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− | *In einer Versammlung zirkuliert zwangsläufig Wissen, indem es von Person zu Person weitergegeben, transformiert oder verstärkt wird. Ist eine Versammlung deshalb immer ein Diskurs? Warum? Warum nicht? Welcher Diskusbegriff liegt dieser Vorstellung zugrunde?
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− | *Der Raum/das Setting der Versammlung bestimmt unter anderen Aspekten, ob und welches Wissen zur Zirkulation kommt. In einem Hörsaal sind beispielsweise bestimmte Formen der Versammlung nicht möglich, die eine Kneipe ermöglicht.
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− | *Wie kommt man von der offensichtlichen Feststellung, dass Versammlung für die Arbeit in und die Realisierung von Projekten notwendig ist (gemeinsame Wissensproduktion, Zuschauer, Interaktion, Alltagsexperten) zum Versammeln als Verfahren. Was kann dieses Verfahren leisten?
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− | *Welche Rolle spielen Subjekt-Objekt-Beziehungen beim Versammeln: Wer handelt? Wer handelt bewusst so wie er handelt? Wie viele Subjekte gibt es? Wer hat welches Interesse? Gibt es Versammlungen in der Versammlung? Wie stellt sich eine Ordnung der Versammlung her bzw. wer stellt diese Ordnung her?
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− | *Welche Wege des Wissens gibt es vor, während und nach der Versammlung?
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− | *Ein wichtiges Kriterium des Versammelns ist die zeitliche Begrenztheit. Im Gegensatz zum Sammeln, welches meist auf Dauerhaftigkeit, auf das Bewahren angelegt ist, wird bei einer Versammlung ist immer das Zusammenkommen und wieder Auseinandergehen impliziert.
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− | *Was ist der Gegenstand/Trigger der Versammlung? Warum kommen die TeilnehmerInnen überhaupt zusammen? Was ist das Verbindende zwischen den Subjekten/den Akteuren.
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− | *Was ist zwischen den Akteuren der Versammlung. Hier könnte eventuell der Atmosphären-Begriff weiterführen. So stellt zum Beispiel Gernot Böhme fest, dass man in Atmosphären hineingerät und sie somit nichts Individuelles, Subjektives sind. (Vgl. Böhme 2001: 47) Auf die Versammlung übertragen würde es bedeuten, das der Charakter der Veranstaltung maßgeblich durch die An- und auch Abwesenheit von Personen, Dinge, Materialien etc. bestimmt wird.
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− | *Daraus folgt die Frage nach den Dynamiken des Versammelns: Was bestimmt die Handlung der Einzelnen und der Gruppe? Der Groove? Der Schwarm? Die Demokratie?
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− | ==Begriffsklärung==
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− | *Was passiert wenn die Sammlung zur Versammlung wird: Was bedeutet das „Ver-“ Oft steht die Vorsilbe "Ver-" dafür, dass sich etwas zerstreut, auseinandergeht und ist in vielen Wörtern auch negativ konnotiert, z.B. verlassen.
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− | Ist Versammeln als Tätigkeit immer reflexiv? Kann eine Person etwas versammeln ohne Teil der Versammlung zu sein?
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− | ==Bibliographie==
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− | Böhme, Gernot (2001). Aisthetik. Vorlesungen über Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre. München, Wilhelm Fink.
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