Begreifen
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Etwas zu begreifen, meint, etwas mit dem Verstand zu erfassen und in einen Kontext einzuordnen. Die dem Wort innewohnende Dimension des Be-Greifens, des Tastens und der sinnlichen Erfahrung wird dabei gemeinhin weniger beachtet, was u.a. dem stärkeren Fokus auf den Sehsinn zum Einen und der stärkeren Beschäftigung mit dem Geistigen zum Anderen geschuldet ist. Dabei könnte eine stärkere Fokussierung der sinnlichen, vor allem der haptisch-taktilen Erfahrung eine Möglichkeit sein, sich in der transdisziplinären Forschung niedrigschwellig Problemen oder Phänomenen zu nähern, ist doch der Tastsinn eine anthropologische Universalie in Alltag, Kunst und Forschung. So gibt es zwar seh-, hör- oder körperbehinderte Personen; das Tasten und Fühlen ist jedoch allen Menschen möglich. Die Beschäftigung mit dem Greifen, Tasten und Fühlen eröffnet allerdings gleichzeitig ein Problemfeld, da dieser Bereich schnell persönliche und körperliche Grenzen berührt und überschreitet. Darüber hinaus gibt es bisher wenige fundierte Ansätze zur Dokumentation und Analyse taktiler Daten. | Etwas zu begreifen, meint, etwas mit dem Verstand zu erfassen und in einen Kontext einzuordnen. Die dem Wort innewohnende Dimension des Be-Greifens, des Tastens und der sinnlichen Erfahrung wird dabei gemeinhin weniger beachtet, was u.a. dem stärkeren Fokus auf den Sehsinn zum Einen und der stärkeren Beschäftigung mit dem Geistigen zum Anderen geschuldet ist. Dabei könnte eine stärkere Fokussierung der sinnlichen, vor allem der haptisch-taktilen Erfahrung eine Möglichkeit sein, sich in der transdisziplinären Forschung niedrigschwellig Problemen oder Phänomenen zu nähern, ist doch der Tastsinn eine anthropologische Universalie in Alltag, Kunst und Forschung. So gibt es zwar seh-, hör- oder körperbehinderte Personen; das Tasten und Fühlen ist jedoch allen Menschen möglich. Die Beschäftigung mit dem Greifen, Tasten und Fühlen eröffnet allerdings gleichzeitig ein Problemfeld, da dieser Bereich schnell persönliche und körperliche Grenzen berührt und überschreitet. Darüber hinaus gibt es bisher wenige fundierte Ansätze zur Dokumentation und Analyse taktiler Daten. | ||
Erweitert man das Greifen mit den Händen und schaut auf den übergeordneten Begriff des Fühlens spielen nicht nur die Hände sondern der gesamte Körper eine Rolle bei der Produktion von Erkenntnis. Somit wird hier eine Verbindung zwischen den Bereichen Alltag, wissenschaftlicher Forschung und künstlerischen, performativen Praktiken deutlich. Die Fokussierung des Tastens in diesem Artikel als einer Form der Wahrnehmung geschieht nicht in der Absicht, eine (neue) hierarchische Ordnung der Sinne aufzustellen. Vielmehr basiert die Auswahl des Themas Tasten/Fühlen/Begreifen auf dem Interesse für einen u.a in der Ethnographie und Kunst vernachlässigten Sinn – sowohl auf ProduzentInnen, als auch auf RezipientInnenseite. | Erweitert man das Greifen mit den Händen und schaut auf den übergeordneten Begriff des Fühlens spielen nicht nur die Hände sondern der gesamte Körper eine Rolle bei der Produktion von Erkenntnis. Somit wird hier eine Verbindung zwischen den Bereichen Alltag, wissenschaftlicher Forschung und künstlerischen, performativen Praktiken deutlich. Die Fokussierung des Tastens in diesem Artikel als einer Form der Wahrnehmung geschieht nicht in der Absicht, eine (neue) hierarchische Ordnung der Sinne aufzustellen. Vielmehr basiert die Auswahl des Themas Tasten/Fühlen/Begreifen auf dem Interesse für einen u.a in der Ethnographie und Kunst vernachlässigten Sinn – sowohl auf ProduzentInnen, als auch auf RezipientInnenseite. | ||
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+ | ==Wortklärung: Begreifen und Begriff== | ||
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+ | Im Etymologischen Wörterbuch des Deutschen wird begreifen von dem althochdeutschen bigrifan, dem mittelhochdeutschen begrifen oder auch dem niederländischen begrijpen abgeleitet, was in seiner ursprünglichen Form „ergreifen, betasten“ oder auch „umfassen, enthalten“ bedeutet. Später wird die Bedeutung des Wortes erweitert, indem sie vom körperlichen Greifen und Fassen auf die geistige Aneignung eines Gegenstands ausgedehnt wird. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache des DUDEN versteht heute als „Begreifen“ u.a. erstens, dass etwas mit dem Verstand ergriffen wird oder geistig erfasst wird. Zweitens wird das Begreifen als „befühlen, betasten, greifend prüfen“ verstanden. | ||
+ | Hieraus wird eine Zweideutigkeit des „Begreifens“ deutlich: Zum Einen umfasst der Begriff den geistige Prozess des Verstehens, der weitaus häufiger verwendet wird, und zum Anderen den Prozess des körperlichen, taktil-haptischen Be-fühlens. Beide Varianten zielen auf das Erfassen und Verstehen von Lebenswelt ab. Im direkten Vergleich der beiden Verfahren könnte jedoch das taktil-haptische Begreifen dem Verstehen vorangestellt werden: „Dem Begriff geht das Begreifen voraus“. VERWEIS |