Bezeugen

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(Bezeugen als künstlerisches Verfahren)
(Kritik des Bezeugens)
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==Kritik des Bezeugens==
 
==Kritik des Bezeugens==
  
In einem Text zu Literatur und Zeugenschaft, in dem er über eine autobiographische Erzählung Maurice Blanchots schreibt, weist Derrida darauf hin, dass jedem Zeugnis die Möglichkeit der Fiktion innewohnt (Derrida 1998: 25). Die Wahrheitsbedingung des Zeugnisses sieht Derrida in dem Versprechen, jeder, der zur gleichen Zeit am gleichen Ort anwesend wäre, hätte das Gleiche wie der Zeuge gehört oder gesehen und würde die Wahrheit des Zeugnisses exemplarisch wiederholen (ebd.: 33). Doch diese Universalisierung kann nach Derrida niemals bruchlos sein, da die Erfahrung zum einen an den Leib gebunden und singulär ist (ebd.: 28), zum anderen kann sie nur mithilfe von Sprache (mithilfe einer Technik) rekonstruiert werden; sie ist daher iterierbar und mithin sekundär, abgeleitet und kontextunabhängig wiederholbar. Dies macht auf eine weitere Bedeutung des Begriffes des Zeugens aufmerksam: zeugen bedeutet das Schaffen von Nachkommen, das Begründen einer Genealogie. Diese Bedeutung verweist auf eine schöpferische Dimension des ''Be''zeugens, auf das ''Er''zeugen: Das Verfahren des Bezeugens ist von der Darstellung nicht zu lösen. Dieser Unsicherheit im Kern des Bezeugens wird begegnet, indem der Zeuge zum Bürgen wird: seine Glaubwürdigkeit liegt mehr noch im performativen Akt seiner Bürgschaft begründet als im Inhalt des Bezeugten.  
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In einem Text zu Literatur und Zeugenschaft, in dem er über eine autobiographische Erzählung Maurice Blanchots schreibt, weist Derrida darauf hin, dass jedem Zeugnis die Möglichkeit der Fiktion innewohnt (vgl. Derrida 1998: 25). Die Wahrheitsbedingung des Zeugnisses sieht Derrida in dem Versprechen, jeder, der zur gleichen Zeit am gleichen Ort anwesend wäre, hätte das Gleiche wie der Zeuge gehört oder gesehen und würde die Wahrheit des Zeugnisses exemplarisch wiederholen (ebd.: 33). Doch diese Universalisierung kann nach Derrida niemals bruchlos sein, da die Erfahrung zum einen an den Leib gebunden und singulär ist (ebd.: 28), zum anderen kann sie nur mithilfe von Sprache (mithilfe einer Technik) rekonstruiert werden; sie ist daher iterierbar und mithin sekundär, abgeleitet und kontextunabhängig wiederholbar. Dies macht auf eine weitere Bedeutung des Begriffes des Zeugens aufmerksam: zeugen bedeutet das Schaffen von Nachkommen, das Begründen einer Genealogie. Diese Bedeutung verweist auf eine schöpferische Dimension des ''Be''zeugens, auf das ''Er''zeugen: Das Verfahren des Bezeugens ist von der Darstellung nicht zu lösen. Dieser Unsicherheit im Kern des Bezeugens wird begegnet, indem der Zeuge zum Bürgen wird: seine Glaubwürdigkeit liegt mehr noch im performativen Akt seiner Bürgschaft begründet als im Inhalt des Bezeugten.
  
 
==Bezeugen als künstlerisches Verfahren==
 
==Bezeugen als künstlerisches Verfahren==

Version vom 24. Oktober 2012, 21:35 Uhr

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