Anerkennen

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(Anerkennen)
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Zentral ist bei Levinas nicht der Appell, ''He Sie da!'', der Modus des Akustischen, sondern der Begriff des Antlitzes. "Im Angesicht des Anderen treten wir in eine Beziehung ein, ... die wir nicht wie einen Gegenstand zu begreifen oder beherrschen vermögen." (10) Das ist keine freiwillige Entscheidung, auch die Form der Beziehung ist nicht einfach wählbar. (11) Hier wäre weiterzudenken, welche Rolle der Blick und das Gesicht für diese Konzeption haben, was letztlich die Rolle der Visualität in der Epistemologie und auch der Ethik betrifft, die 'Objektivität' eines Anblicks, das Erkennen von etwas oder jemand, die Reziprozität im Sehen/Gesehenwerden: Sind diese Figuren wesentlich optisch verfasst?  
 
Zentral ist bei Levinas nicht der Appell, ''He Sie da!'', der Modus des Akustischen, sondern der Begriff des Antlitzes. "Im Angesicht des Anderen treten wir in eine Beziehung ein, ... die wir nicht wie einen Gegenstand zu begreifen oder beherrschen vermögen." (10) Das ist keine freiwillige Entscheidung, auch die Form der Beziehung ist nicht einfach wählbar. (11) Hier wäre weiterzudenken, welche Rolle der Blick und das Gesicht für diese Konzeption haben, was letztlich die Rolle der Visualität in der Epistemologie und auch der Ethik betrifft, die 'Objektivität' eines Anblicks, das Erkennen von etwas oder jemand, die Reziprozität im Sehen/Gesehenwerden: Sind diese Figuren wesentlich optisch verfasst?  
 
Derrida wandte sich nicht der Visualität zu, sondern dem sprachlichen Medium, und er kritisierte an Lévinas, die eigene Verstrickung in die Sprache nicht mitbedacht zu haben - wenn man nicht ÜBER den Anderen sprechen will, und wenn es kaum möglich ist, ohne dass der Andere immer nur der Andere des Selben ist, so muss der Andere neu gedacht werden nicht als undenkbares Absolutum. (12) Ob man im Anschluss von einer "fortwährenden Arbeit mit der Veranderung", einem immer offenen Prozess von Anerkennen und Unmöglichkeit des Anerkennens sprechen muss, wäre auszudiskutieren. Die Offenheit darin bedeutet Möglichkeitsraum und Freiheit ebenso wie Risiko.
 
Derrida wandte sich nicht der Visualität zu, sondern dem sprachlichen Medium, und er kritisierte an Lévinas, die eigene Verstrickung in die Sprache nicht mitbedacht zu haben - wenn man nicht ÜBER den Anderen sprechen will, und wenn es kaum möglich ist, ohne dass der Andere immer nur der Andere des Selben ist, so muss der Andere neu gedacht werden nicht als undenkbares Absolutum. (12) Ob man im Anschluss von einer "fortwährenden Arbeit mit der Veranderung", einem immer offenen Prozess von Anerkennen und Unmöglichkeit des Anerkennens sprechen muss, wäre auszudiskutieren. Die Offenheit darin bedeutet Möglichkeitsraum und Freiheit ebenso wie Risiko.
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2. Der Rahmen, ein strukturelles Risiko'''  
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'''2. Der Rahmen, ein strukturelles Risiko'''  
  
 
Das Buch ''Frames of war'' von Judith Butler wurde übersetzt als ''Raster des Krieges''. Es fragt: Durch welche Rahmen/Raster passiert das Anerkennen? Wie ist das Verhältnis von Erkennen und Anerkennen? (Anerkennbarkeit ist nicht eine Eigenschaft oder ein Potential von einzelnen Menschen.) Das Wahrnehmen ist eine Form der Erkenntnis; auch das bloße Registrieren, die sinnliche Wahrnehmung ohne konzeptuelles Wissen gehörten dazu. Raster/Rahmen "strukturieren nicht nur unsere visuelle Erfahrung, sondern bringen auch spezifische Ontologien des Subjekts hervor." (13) "Wie Normen der Anerkennbarkeit den Weg zur Anerkennung ebnen, so bedingen und erzeugen Schemata der Intelligibilität erst diese Normen der Anerkennbarkeit." (14) Der Rahmen legt zwar den Ausschnitt des Zu-Sehen-Gegebenen fest, aber gleichzeitig wird immer etwas außerhalb des Rahmens Liegendes erkennbar. (15) Gerade die technische Reproduzierbarkeit und die Zirkulationsfähigkeit des Bildes verändern die Bedeutung des ''Framing''/Rahmens prinzipiell. Die Zirkulationsfähigkeit wird Teil des Bilds, wenn der Rahmen unausweichlich dazu da ist, etwas Zirkulierendes immer wieder in neuen Kontexte zu setzen, er sich permanent von seinem Kontext löst. (16) Die Zirkulierbarkeit ist nie abgeschlossen, auch diese prinzipielle Offenheit für zukünftige Kontexte destabilisiert eine feste Bedeutungsgebung des Rahmens. (17) Er kann nur dank seiner Reproduzierbarkeit zirkulieren, "und eben diese Reproduzierbarkeit bringt ein strukturelles Risiko für die Identität des Rahmens selbst mit sich.  [... Er funktioniert] normativ, kann jedoch, je nach der spezifischen Art seiner Zirkulation, bestimmte Bereiche der Normativität infrage stellen. Solche Rahmen strukturieren Anerkennung, ... jedoch sind ihre Grenzen und Bedingtheiten ihrerseits kritisch exponierbar und der Intervention zugänglich." (18)
 
Das Buch ''Frames of war'' von Judith Butler wurde übersetzt als ''Raster des Krieges''. Es fragt: Durch welche Rahmen/Raster passiert das Anerkennen? Wie ist das Verhältnis von Erkennen und Anerkennen? (Anerkennbarkeit ist nicht eine Eigenschaft oder ein Potential von einzelnen Menschen.) Das Wahrnehmen ist eine Form der Erkenntnis; auch das bloße Registrieren, die sinnliche Wahrnehmung ohne konzeptuelles Wissen gehörten dazu. Raster/Rahmen "strukturieren nicht nur unsere visuelle Erfahrung, sondern bringen auch spezifische Ontologien des Subjekts hervor." (13) "Wie Normen der Anerkennbarkeit den Weg zur Anerkennung ebnen, so bedingen und erzeugen Schemata der Intelligibilität erst diese Normen der Anerkennbarkeit." (14) Der Rahmen legt zwar den Ausschnitt des Zu-Sehen-Gegebenen fest, aber gleichzeitig wird immer etwas außerhalb des Rahmens Liegendes erkennbar. (15) Gerade die technische Reproduzierbarkeit und die Zirkulationsfähigkeit des Bildes verändern die Bedeutung des ''Framing''/Rahmens prinzipiell. Die Zirkulationsfähigkeit wird Teil des Bilds, wenn der Rahmen unausweichlich dazu da ist, etwas Zirkulierendes immer wieder in neuen Kontexte zu setzen, er sich permanent von seinem Kontext löst. (16) Die Zirkulierbarkeit ist nie abgeschlossen, auch diese prinzipielle Offenheit für zukünftige Kontexte destabilisiert eine feste Bedeutungsgebung des Rahmens. (17) Er kann nur dank seiner Reproduzierbarkeit zirkulieren, "und eben diese Reproduzierbarkeit bringt ein strukturelles Risiko für die Identität des Rahmens selbst mit sich.  [... Er funktioniert] normativ, kann jedoch, je nach der spezifischen Art seiner Zirkulation, bestimmte Bereiche der Normativität infrage stellen. Solche Rahmen strukturieren Anerkennung, ... jedoch sind ihre Grenzen und Bedingtheiten ihrerseits kritisch exponierbar und der Intervention zugänglich." (18)

Version vom 22. Juni 2012, 17:25 Uhr

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